2012-13 Jonathan
Mein Einstieg in den Friedenskreis: der Weltfriedenstag 2012
[oder alternativ der Titel des Online-Artikels: Von Walzer, Poesie und davonfliegenden Kranichen: Der Weltfriedenstag 2012]
02.11.2012
Es ist ein schöner Zufall – jedes Jahr beginnt der neue FSJler im Friedenskreis sein politisches Jahr mit dem Weltfriedenstag, dem 1. September. Denn welcher Tag könnte bitte besser als Einführung in den Verein dienen?!
In diesem Jahr fiel der Weltfriedenstag auf einen Samstag, doch auch ich ließ mir diese Möglichkeit nicht entgehen und begann mein FSJ bei strahlendem Sonnenschein schon etwas früher als geplant. Schon beim Aufbau der Stände lernte ich in entspannter Atmosphäre die ersten neuen Kollegen, friedenskreisnahe Ehrenamtliche, Mitglieder der AG Friedenspolitik, meine Vorgängerin, eine georgische Freiwillige, aber auch Mitglieder des DGB, der Arabischen Oase und anderer hallescher Organisationen kennen.
Zu Beginn der Veranstaltung durfte ich als „erste Amtshandlung“ meines schauspielerisches Talent unter Beweis stellen: Gemeinsam mit Maria, Karl und Salome von der AG Friedenspolitik erregten wir Aufmerksamkeit, indem zwei von uns als Soldaten um die Stände herum über den Marktplatz liefen, während die anderen beiden ihnen hinterherliefen, sich, ausgestattet mit Friedensfahnen, über die so seltsam ernsthaften Gestalten lustig machten und sie schließlich jubelnd in ihre Flaggen einwickelten. Da blieb dann schon der_die eine oder andere Passant_in stehen und lauschte Anita Reinicke (DGB) und Christof, wie sie die Veranstaltung eröffneten.
Nun begann ein lebhaftes Programm mit Gedichten gegen den Krieg, verlesen vom Schulpfarrer Peter Puhr und Gottfried Arlt, einem Mitglied des Friedenskreises, musikalischen Trommeleinlagen der Gruppe Papa Dula mit Special Guest Mustafa Khalil, arabischen Gedichten und Liedern, vorgetragen von Mitgliedern der Arabischen Oase und einer Tanzeinlage der besonderen Art, die von der AG Friedenspolitik organisiert wurde: Walzermusik ertönte, spontan fanden sich mehrere Tanzpaare zusammen – ich wurde gut geführt von Anita Reinicke – und wir schwangen das Tanzbein. Doch das Idyll wurde über den Lautsprecher durch Schüsse gestört, woraufhin einzelne Tanzpartner „tot“ zu Boden sanken und einsame Tänzer_innen zurückließen; eine passende Metapher für die Grausamkeit des Krieges, der mit all den zivilen Opfern, die er fordert, jede Form von Normalität zunichte macht.
Abseits des Geschehens wurden unterdessen an den verschiedenen Ständen Unterschriften gegen deutsche Rüstungsexporte und für ein NPD-Verbot gesammelt, arabischer Kaffee gegen eine Spende abgegeben und ca. 150 Origami-Kraniche gefaltet.
Diese wurden schließlich an Luftballons befestigt, unter den vielen interessierten Zuschauern verteilt und zum Abschluss des zweistündigen Events als Zeichen für den Frieden steigen gelassen.
Für meinen Geschmack eine sehr runde Veranstaltung, die positiv von allen Beteiligten, Zuschauenden und der Öffentlichkeit aufgenommen wurde und umso mehr Lust auf mein anstehendes Jahr im Friedenskreis machte!
Ende August schloss Jonathan Hilgenfeld sein FSJ im politischen Leben beim Friedenskreis ab und macht nun Platz für unsere neue FSJlerin Kim Pomme.
Mit seiner Mentorin Maria Wagner blickt er zurück auf die vergangenen 12 Monate:
14. August 2013
Dein FSJ neigt sich nun dem Ende entgegen. Was wirst du am Friedenskreis vermissen?
Die Treppen. Nein, okay. In erster Linie wird mir wohl die nette, entspannte Atmosphäre in der Geschäftsstelle und bei den Veranstaltungen fehlen, wozu natürlich auch besonders die liebgewonnenen Kolleg_innen und häufig in Erscheinung getretenen Leute aus dem FK-Umfeld gehören. Außerdem wird mir neben der inhaltlich spannenden Beschäftigung mit den FK-Themen auch die Arbeitsweise im Büro fehlen. Alle gehen hier so locker und auf Augenhöhe miteinander um und sind gemeinsam produktiv, tauschen sich viel aus, lachen miteinander. Unwohl habe ich mich hier nie gefühlt.
Mit welchen Erwartungen warst du in dein FSJ gestartet?
Ich hatte mich entschlossen, mal etwas Engagement für die Welt um mich herum zu zeigen und mich für die „gute Sache“ einzusetzen. Da erschien mir ein Verein wie der Friedenskreis als die richtige Adresse. Ich war gespannt darauf zu sehen, wie politisches Engagement in einem gemeinnützigen Verein aussieht und welchen Beitrag ich dazu leisten kann. Ansonsten waren meine Erwartungen eher persönlich-pragmatisch; ich wollte etwas Ruhe zwischen der ganzen Theorie der Schule und der Uni, die ja sonst direkt an meine Schullaufbahn angeschlossen hätte. Zwischendurch einen geregelten Arbeitsalltag zu haben, erschien mir da ganz attraktiv.
Und wie blickst du jetzt darauf? Haben sich die Erwartungen erfüllt?
Die Arbeit des Friedenskreises mit all seinen vielfältigen Projekten und der Dynamik in der Geschäftsstelle kennen zu lernen, war wirklich eine spannende Erfahrung. Außerdem fand ich die Beschäftigung mit Themen wie Rüstungsexporte, der Situation in Israel/ Palästina, Antidiskriminierungsarbeit, ziviler Konfliktbearbeitung u.v.m., mit denen ich bis dato nur in Ansätzen in Kontakt getreten war, sehr anregend. An dieser Stelle muss ich aber auch kritisch sein: Ich weiß die Arbeit des Vereins zu schätzen, er bietet interessante Bildungsangebote an, trägt wichtige Themen in die Öffentlichkeit und ist mindestens im Raum Halle ein wichtiger Ansprechpartner mit viel Expertise in friedenspolitischen und -pädagogischen Themen. Doch insgesamt fehlte mir persönlich das Gefühl, wirklich jemandem geholfen zu haben, klare sichtbare Erfolge zu erleben. Das war wohl auch einer der Gründe, warum ich vom geplanten Psychologie-Studium radikal umgeschwenkt bin und nun voraussichtlich Bauingenieur werde.
Ja, das ist wirklich ein etwas überraschender Schritt. Aber bevor du anfängst, dich in Mathematik und Naturwissenschaften zu vertiefen, kommen wir doch noch einmal kurz auf deine Arbeit im Friedenskreis zu sprechen. Was waren denn deine wesentlichen Aufgaben?
Mein Schwerpunkt lag bei der Lokalen Servicestelle „Couragierte Schule“, wo ich dich bei der Beratung und Betreuung der lokalen SoR-SmC-Schulen und denen, die es mal werden wollen, unterstützt habe. Ich konnte aber auch in die anderen Bereiche des Friedenskreises Einblicke gewinnen: Als Mitglied der AG Friedenspolitik war ich bei den Aktionen und Plena in diesem Jahr beteiligt, übernahm im Bereich der Friedensdienste die Rolle als Mentor für einen europäischen Freiwilligen sowie immer wieder mal kleinere Aufgaben für Marina und führte mit Ulrike und Marcus im Bereich der Entwicklungspolitischen Bildungsarbeit zwei Workshops in Schulklassen durch. Daneben fielen dann noch Aufgaben für meine Arbeit mit den anderen Freiwilligen in Sachsen-Anhalt an, wie beispielsweise das Organisieren von Projekttagen und -wochen.
Zu einem FSJ im politischen Leben gehört immer auch ein eigenverantwortliches Projekt (EVP). In diesem Rahmen hast du einen Filmabend mit anschließender Gesprächsrunde im Luchs.Kino organisiert. Wie ist es zu dieser Veranstaltung gekommen?
Ursprünglich dachte ich in wesentlich größeren Dimensionen: Eine Filmreihe zum Konflikt in Israel/ Palästina war der Plan, 5-6 Filme jeweils mit einer Podiumsdiskussion im Anschluss. Das war leichter gesagt als getan. Etwa 10 Filme hab ich mir angeschaut und entweder fand ich sie einfach nicht gut gemacht, sie ließen sich nicht kombinieren, sie hatten eine zu radikale Aussage oder waren einfach schon so „ausgelutscht“, das Thema betreffend. Dann musste ich einsehen, dass ich mir etwas viel vorgenommen hatte mit einer ganzen Reihe.
Also entschied ich mich, nur einen Film zu zeigen. Auch das gestaltete sich schwieriger als gedacht und ich war schon drauf und dran, das Projekt einfach an den Nagel zu hängen, da stieß ich auf die Doku „Knowledge is the Beginning“ über den israelischen Dirigenten Daniel Barenboim, der Israelis und Araber in seinem West Eastern Divan Orchestra zusammenbringt und damit ein Paradebeispiel für das mögliche friedliche Miteinander in der Region liefert.
Eher zufällig bekam ich Kontakt zum Regisseur der Doku, Paul Smaczny, und er erklärte sich bereit für die Podiumsdiskussion im Anschluss an den Film als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen. Daneben sollte das Podium mit jemandem von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Sophie Schaarschmidt, die in Sachen Israel/Palästina wohl die passendste Ansprechpartnerin im FK-Umfeld ist, vor allem wenn es um Kooperationsprojekte geht, besetzt werden. Für die Moderation erklärte sich netterweise unser Geschäftsführer Christof bereit!
Ist die Veranstaltung dann zu deiner Zufriedenheit verlaufen?
Unglücklicherweise mussten kurzfristig gleich zwei der drei geplanten Referenten absagen. Die Veranstaltung war dann aber trotzdem eine sehr runde Sache! Es kamen ca. 50 Leute, was definitiv mehr war, als ich gedacht hätte, und der Film schien – danach, was ich im Anschluss von verschiedenen Seiten mitbekam – gut anzukommen. Und Sophie machte auch alleine im Gespräch mit Christof eine tolle Figur, konnte viele Situationen aus der Doku auf eigene Erfahrungen beziehen, einige schöne Einblicke in ihre Arbeit mit israelischen und palästinensischen Jugendlichen geben und die zahlreich gestellten Fragen aus dem Publikum beantworten.
Was nimmst du aus deinem FSJ mit für dein Leben?
Ich packe meinen Koffer und nehme mit: eine gesundes Maß an Sensibilität für richtiges Gendern und nicht-diskriminierende Sprache, ein paar Kompetenzen in Richtung Veranstaltungen organisieren, Abrechnungen erstellen und Geld eintreiben, ein Überblick über die hallesche Vereinslandschaft, viele schöne Begegnungen und hoffentlich nachhaltig haltbare Bekanntschaften, eine Mitgliedschaft beim Friedenskreis und einen Ort, an dem ich mich willkommen fühle. Mensch, ich werde schon glatt nostalgisch.
Vielen Dank für das Gespräch! Für deinen weiteren Weg wünschen wir dir alles Gute und freuen uns, ab und zu von dir zu hören und dich zu sehen.